Was für eine schöne Tour! Gestern Abend habe ich die Bilder ausgewählt, die ich gerne hier hochladen möchte. Vorweg: es werden viele Fotos. Ich habe so viele schöne Eindrücke festgehalten, dass ich mich gar nicht richtig entscheiden konnte. Fotos aussortieren und auf ein Minimum zu reduzieren gehört allerdings auch nicht zu meinen Stärken. Aber zurück zu unserer Tour Richtung Kroatien. Es war wirklich so eine gute Zeit, dass ich es mir vorstellen könnte, dieses Jahr ein weiteres mal dort hin zu fahren. Etwas weiter in das Landesinnere dieses mal, etwas länger. 2020 hatte ich nämlich nur zwei Wochen Zeit. Nils und ich nehmen uns immer gerne viel Zeit, fahren gemütlich, lassen uns treiben und machen gerne viele kleine Zwischenstops – auch ungeplante – wenn es unterwegs irgendwo schön ist.
So hielten wir auf dem Weg Richtung Süden zunächst in Rothenburg ob der Tauber. Ein wirklich, wirklich schönes Städtchen in der Nähe von Nürnberg. Wie so oft, kamen wir auch dieses mal am Abend an. Es war schon dunkel. Nach Schlaf fühlten wir uns allerdings noch nicht. Also liefen wir los, überquerten eine alte Gedeckte Brücke und ließen die große Stadtmauer hinter uns. Zum Glück sind wir nicht mehr im Mittelalter, so das die Stadttore immer geöffnet sind und nicht mit den Torwächtern um Einlass feilschen müssen. Stünden die Autos nicht am Straßenrand kann man sich in der einen oder anderen Gasse wirklich wie in das Mittelalter zurück versetzt fühlen. Demnach: genau mein Ding!
Im Laufe unserer zahlreichen Touren hat es sich bei Nils und mir ebenso bewährt, dass wir uns Städte in der Nacht anschauen. Wenn es dunkel ist und die allermeisten Menschen nicht mehr auf den Straßen unterwegs, kann man die Stadt vollkommen anders erleben. Ruhiger. Geheimnisvoller. So manche Stadt Deutschlands kenne ich nur bei Nacht. Bei Rothenburg verhält es sich anders. Ich war so fasziniert von der Stadt und selbige erwies sich als so viel größer als erwartet, dass wir ihr am nächsten Morgen einen zweiten Besuch abstatteten. Zunächst schwang ich mich am Morgen auf mein Rad und strampelte mich zum Stadtkern vor, um mir Frühstücksbrötchen zu kaufen. Die Gassen und Fachwerkhäuser zu sehen, hat mich fast zum platzen gebracht. Am liebsten wäre ich sofort losgegangen um jeden Winkel von Rothenburg zu erkunden.
Bald ging es dann weiter in den Süden. Eine kurze Übernachtung im Ostallgäu, wurde gefolgt von einem kurzen Halt in Fendels, Österreich. Übernachtet haben wir in der Nähe vom Kraunatal, an einem Fluß, der sich an einer Felswand entlang schlängelte und ganz ruhig und versteckt war. Naja, wobei, ruhig ist nicht so ganz der richtige Begriff. Der Fluß hatte ordentlich Geschwindigkeit und ließ uns seine Kraft sehr deutlich hören. Am Abend gesellte sich ein Bulli aus Österreich zu uns. Kurz darauf saßen wir zu dritt mit einem Bierechen beisammen und tauschten Geschichten und Erfahrungen aus.
Am Morgen dauerte es eine ganze Weile, bis die Sonne an unser kleines Fleckchen heran reichen konnte. Bis dahin war es gar nicht sehr warm, aber die kurze Abkühlung kam mir ob des heißen Wetters doch gelegen. Wir nahmen ein morgendliches, frostig-frisches Bad im Fluß und hielten Zwiesprache mit einem Schmetterling. Ja. Richtig gelesen. Dieser kleine Kerl (oder kleine Dame….) flatterte einen Moment um uns herum und nahm bald darauf kurzentschlossen auf Nils eine Rast. So verweilte der Schmetterling eine ganze Weile bei uns. Mal saß er auf Nils Brille, auf meinem Arm, auf seiner Nase. Eine zauberhafte Begegnung (von der es keine Fotos mit der Kamera gibt).
Ich lasse mich gerne über das Internet inspirieren. Klar: die größte Inspiration ist das Leben selber. Begegnungen. Erfahrungen und Abenteuer. Und ganz besonders die Natur. Aber wenn es darum geht, Reiseziele zu finden, stolpere ich immer mal wieder über Fotos, Berichte oder dergleichen, die mich dazu bewegen diese Orte auf meine „wanna see“ Liste zu schreiben. Genau so erging es mir auch mit dem Reschensee in Italien. Ich meine: da steht ein Kirchturm mitten im Wasser. Der Kirchturm stammt aus dem 14. Jahrhundert und dient heute als Mahnmal und als Erinnerung an das damalige Dörfchen Graun, welches im Zuge einer Stausee Bauung geflutet wurde. Bis auf den Kirchturm wurden alle Gebäude abgerissen. Ein malerisches Bild – mit einer traurigen Geschichte. Jedenfalls dachte ich nicht, dass ich diesen Ort so bald zu Gesicht bekommen würde. Als wir jedoch den weiteren Weg recherchierten, stellte sich heraus, dass wir am Reschensee vorbei fahren können, ohne einen großen Umweg zu machen.
Die Heuernte war im vollem Gange. Auf den Wiesen um uns herum waren die Landwirte eifrig damit beschäftigt, das Heu einzuholen. Die Sonne schien sehr warm vom Himmel und der Boden war ziemlich trocken. In unserem Bulli saßen wir ohne Klimaanlage und es war ganz schön warm. Wenn ich jetzt daran denke (wir haben Mitte März und der richtige Frühling lässt auf sich warten) steigt wieder richtige Urlaubslust in mir auf. Es war jedoch beinahe zu warm, um unter der Mittagssonne weit zu fahren. So hielten wir ein weiteres mal an, als wir einen kleinen Burgturm in der Ferne erblickten. Der Ort, in dem wir landeten war deutlich kleiner als erwartet. Mals ist eine kleine italienische Marktgemeinde in Südtirol. Und ganz so, wie es in Italien üblich ist, waren die Bürgersteige um die Mittagszeit hochgeklappt. So gingen wir eine kleine Runde im Schneckentempo durch die Straßen und setzten uns kurz darauf in den Schatten unseres Bullis und gönnten uns einen kleinen Mittagssnack.
Am gleichen Tag – oder besser: in der gleichen Nacht, erreichten wir noch unser Ziel. Ein Stellplatz unweit von Venedig. Wir hielten unterwegs noch an einem Restaurant, weil ich keine Lust dazu hatte, irgendwo anzuhalten und etwas zu kochen. Die Straßen wirkten ansonsten wie leer gefegt und es war wirklich nicht viel los. So kamen wir, bei einigermaßen erträglichen Temperaturen am Bosco di Zaher an. Ein etwas größerer Parkplatz unweit eines Parks. Die erträglichen Temperaturen hielten nicht sonderlich lange an. Da der Parkplatz keine Bäume hatte, standen wir in der prallen Sonne. Obendrein machten wir unsere erste Begegnung mit den Singzikaden. Für den einen mag das laute Zirpen dieser Insekten der Inbegriff von Urlaubsstimmung im Süden sein. Für uns war es dann doch eher wie ein lauter, störender Tinitus. Wirklich laut. Für uns.
Nachdem wir gefrühstückt hatten, schwangen wir uns auf unsere Drahtesel und radelten los. Wenn ich mich recht erinnere, waren es ca 20 Kilometer, bis wir Venedig erreichten. Ich hätte mir keine bessere Art vorstellen können, zu dieser Insel zu gelangen. Wohl sollte ich auch erwähnen, dass ich niemals gedacht hätte, Venedig einmal zu besuchen. In meiner Vorstellung war Venedig durchaus immer ein interessantes Urlaubsziel. Aber die Vorstellung, mich mit einer Vielzahl von Menschen durch die Gassen zu schieben, war für mich ein Graus. Letztendlich hat Corona dafür gesorgt, dass wir uns Venedig angeschaut haben. Denn Corona hat dafür gesorgt, dass viele Menschen nicht in den Urlaub gefahren sind, oder zumindest die großen Städte vermieden haben. Mein Plan ging auf. Natürlich gab es Besucher und Menschen auf den Straßen. Aber wir konnten überall gut entlang laufen und nirgends gab es große Menschenaufläufe. Aber zurück zum Anfang: So radelten wir über die Brücke, den Blick auf Venedig gerichtet, die Sonne auf dem Haupt. Angekommen hatten wir überhaupt keine Ahnung, wo wir unsere Fahrräder hätten abstellen können. Schlussendlich fragte ich ein paar Polizisten, die gerade am Busbahnhof beisammen standen. Von ihnen wurden wir an ein Parkhaus gelotst. Dort hätten wir teuere Fahrradboxen mieten können, in denen die Räder eingeschlossen wurden, was wir jedoch nicht wollten. Außerdem wussten wir, dass es noch einen Raum geben muss, in dem wir unsere Räder auch abstellen konnten. Wir fanden ihn. Einen beinahe winzigen Raum, in dem ca 15 Fahrräder irgendwie hinein gepasst haben. Für unsere Drahtesel absolut ausreichend. Und dann ging es endlich los in die Stadt.
Rein in die Stadt. Bis zur ersten Pause. Irgendwie war es zu warm. Die Nacht vielleicht nicht erholsam genug. Und manchmal gibt es ja auch einfach so Tage, an denen man sich nicht sonderlich fit, vielleicht etwas kraftlos fühlt. Im Laufe des Tages wurde dieses Gefühl jedoch vom Entdeckergeist abgelöst. So viele Straßen, Brücken, Gassen, die es zu gehen galt. Hier rechts? Oder links? Vielleicht doch geradeaus? Wenn ich an Venedig denke, denke ich an das alte Venedig, vielleicht auch an das Mittelalter, an die Medici. Irgendwie auch an Glanz und Gloria. An Prunk und Stolz. Das Venedig letztendlich doch so viele Häuser hat, an denen der Zahn der Zeit nagt, das Salzwasser knabbert und der Wind zerrt, hatte ich in meiner blumigen Phantasie so nicht vorgesehen. Und doch hatte auch all das einen ganz besonderen Charme, den man erlebt haben darf. Ganz obendrein lieben Nils und ich das Alte ja. Ich für meinen Teil war nicht nur auf der Suche nach Geschichte, sondern auch auf der Suche nach Pizza. Mal ganz ehrlich: ich bin in Italien. Da muss ich doch Pizza essen! Schließlich ist bekannt: nirgendwo gibt es bessere Pizza als von den Italienern. Blöd, wenn ich dann an der falschen Stelle zu geizig bin. Ich habe eine annehmbar bezahlbare Pizza gefunden – und habe selten in meinem Leben eine schlechtere Pizza gegessen. Wenn ich überhaupt schon mal eine schlechtere Pizza gegessen habe. Mein Pizza-Herz war zerbrochen.
Ich weiß nicht wie, aber irgendwie sind wir irgendwann auf wundersame Weise auf dem Markusplatz gelandet. Unsere Route bis dort hin muss sehr abenteuerlich ausgesehen haben. ZickZackZickZack. Hier stand ich plötzlich vor reichlich Prunk. Der Markusdom ist ein beeindruckendes Gebäude. Recherchiert man im Internet, so wurde er – ebenso wie der Markusplatz – im 9.Jahrhundert erbaut. Ich bin beinahe sprachlos darüber, welch Wunderwerke die Menschen damals bereits errichtet haben. Im Dom selber waren wir nicht. Auf die Frage „Warum?“ kann ich gar keine Antwort geben. Wenn ich mich zurück erinnere, habe ich nicht einen Moment daran gedacht, dass ich mir den Markusdom auch von Innen hätte anschauen können.
Allmählich zog die Sonne ihren Kreis immer weiter in den Westen. Das Licht wurde gemütlicher, die Häuser warfen ihre Schatten immer länger. Es wurde langsam Zeit, unsere Fahrräder wiederzufinden. Wir gingen durch die beinahe leeren Straßen und die gewohnte Abendruhe legte sich über die Stadt. Jedoch nicht über die gesamte Stadt. Auf den Plätzen standen und saßen ganze Menschentrauben gebannt beeinander. Nils und ich haben mit Fußball so ziemlich gar nichts zu tun. Wirklich nichts. So war es nicht verwunderlich, dass uns entgangen ist, dass gerade die WM lief. Für mich war dies auch weiterhin absolute Nebensache. Und trotzdem war ich glücklich. Glücklich so viele Menschen ohne Masken ausgelassen und doch gebannt beeinander zu sehen. Wir gingen weiter unserer Wege, fanden unsere Räder und zu später, blauer Stunde, überquerten wir die Brücke auf das Festland. Als wir gerade zurück am Bulli angekommen waren, brach der Jubel über uns herein: Italien war Europameister geworden! Es war das Finale, das wir da zu Teilen in Venedig mitbekommen hatten. Hätten wir das geahnt, wären wir wohl noch ein Stündchen länger dort geblieben, um uns von dem ausgelassenen Treiben mitreißen zu lassen.
*Fortsetzung folgt*